Heute gibt es in der Großstadt Wien eine individuell suchende Religiosität. Wir befinden uns hier in der City, in St. Michael, auf einem Areopag der Religionen und Weltanschauungen.
Wir Salvatorianer haben den Auftrag der Verkündigung mit allen Mitteln, die die Liebe Christi eingibt, von unserm Gründer Pater Franziskus Jordan erhalten.
So steht dieser neu gestaltete Raum der Stille in Spannung zum Ort der reichen Geschichte und Kultur.
Dieser Raum will konfrontieren, provozieren, einladen und von Gott reden.
- Wer den Raum der Stille betritt, soll unausweichlich konfrontiert werden mit einer untypischen und ungewohnten Leere und Unbestimmtheit: kein Symbol, kein Ornament oder Bild, nicht einmal bequeme Sitzmöbel.
- Dieser Raum will allen suchenden und fragenden Menschen offen stehen.
- Dieser Raum soll in seiner Leere auch eine wichtige Botschaft für uns heute vermitteln:
Eine heilsam provozierende Erinnerung für alle, deren Gott sehr wohl einen konkreteten Namen trägt
Eine zeitgemässe, ganz andere Rede von Gott im bescheidenen, aber klaren Hinweis auf Seine Unverfügbarkeit und letzte „Entzogenheit“.
Dieser Raum der Stille in seiner provozierenden Nüchternheit und Leere steht in Spannung zur 800-jährigen Michaelerkirche und dem 400 Jahre alten Kloster. Er ist eine andere Form der salvatorianischen Verkündigung in St. Michael:
- Als Einladung, der Stille des Geheimnisses einen Ort zu sichern im fast allgegenwärtigen Gedudel und Gedröhn des Alltags.
- Als Herausforderung, manche Leerstellen in unserem Leben bewusst frei und offen zu halten und nicht vorschnell auszufüllen.
- Als Erinnerung, die großen und echten Fragen unserers Lebens überhaupt einmal zu stellen und stehen zu lassen – und nicht vorschnell mit Katechismuswissen abzuwürgen.
Dieser Raum will und soll in seiner Leere und Unbestimmtheit ein Stück heilsame Wüste inmitten unserer Lebenswelt sein.
„Heilsame Wüste“ deshalb, weil die Stille und Leere der Wüste zumindest in der Tradition der biblischen Religionen der bevorzugte Orte der Gottesbegegnung ist.
Dieser Text ist veröffentlicht in Michaeler Blätter, Nr. 13, November 2009, S. 5