Das Kruzifix wurde von den Werkstätten des Bundesdenkmalamtes in Wien durch Frau Dr. Sara Giuliani restauriert und erstrahlt nun nach einer umfassenden Oberflächenreinigung, diversen Holzreparaturen und farblichen Ergänzungen in neuer Pracht.
Allgemeines zur kunsthistorischen Forschung
Die Forschung schreibt das Kruzifix der Werkstatt des Wiener Bildhauers Hans Schlais zu. Es wurde um 1510 bis 1515 geschaffen, ist stilistisch gesehen also eine spätgotische Arbeit, die aber bereits Merkmale des aufkommenden Manierismus in sich trägt.
Hans Schlais gilt als Vertreter der sogenannten Donauschule, zu deren künstlerischer Errungenschaft eine neue Naturauffassung zählt. Diese zeigt sich in einer Vorliebe für Landschafts- und Naturdarstellungen und einer „freieren“ und naturalistischen Körperauffassung: letztere findet sich auch in Schlais‘ Christuskorpus verwirklicht.
Technische Details
Der Corpus Christi ist aus einem einzigen Lindenholzblock gearbeitet: Er ist vollrund geschnitzt und polychrom gefasst. Lediglich die beiden Arme und die zwei Lendentuchdraperien sind jeweils separat ausgeführt und an den Körper angesetzt. Der aktuell sichtbare Zustand der Polychromie (Färbung) ist ein sehr reduzierter: es lässt sich nur die ursprünglich hell-rosa Grundierung mit gemalten Venen erkennen.
Provenienz
Der ursprüngliche Standort des Kruzifixes in der Michaelerkirche ist nicht belegt. Es ist aber anzunehmen, dass der Corpus Christi ursprünglich auf dem Lettner stehend beziehungsweise über diesem schwebend angebracht war. Wahrscheinlich ist auch eine örtliche Verbindung zum sogenannten Kreuzaltar, der üblicherweise im bzw. hinter dem Lettner mittig platziert war.
Bekannt ist jedenfalls, dass das Kruzifix in der Mitte des 20. Jahrhundert in der Vorhalle des ehemaligen Barnabitenklosters (Eingang Habsburgergasse 12) hing. Die Christusskulptur war damals nicht nur mit einer „nachgotischen“ Fassung vollständig übermalt, sondern auch mit einer Metallkrone auf dem Kopf ausgestattet. Davon zeugt eine Fotografie, die das Archiv des Bundesdenkmalamtes besitzt.
Restauriergeschichte
Bei den letzten umfassenden Restaurierungen des BDA im Jahr 1961-62 wurde die erwähnte Übermalung entfernt und das Werk wieder auf seinen originalen Farbzustand zurückgeführt, wenn auch nur fragmentarisch. Des Weiteren wurden der Skulptur während dieser Restaurierung einige Holzergänzungen beziehungsweise -reparaturen hinzugefügt: So wurde etwa links eine Haarpartie mit Locke sowie ein abgebrochener Mittelfinder der linken Hand neu geschnitzt und sämtliche ausgebrochene Lendentuchkanten ergänzt. Auch wurde zu diesem Zeitpunkt die erwähnte Metallkrone wieder durch eine aus echtem Dornengehölz gewundene Dornenkrone ersetzt und durch den Kreuznimbus ergänzt. Auch das monumentale Kreuz und die INRI-Tafel sind ebenfalls spätere Zufügungen: So dürfte die Tafel aus der Barockzeit stammen und das Kreuz eine Zutat des 20. Jahrhunderts sein.
Seit dem Jahr 1973 ist das Kruzifix an der aktuellen Stelle an der Rückwand der Kreuzkapelle der Kirche aufgestellt und gibt ihr seither ihren Namen.
Mag.a Doris Fries (unter Verwendung des Restaurierberichtes von Frau Dr. Sara Giuliani)