W.A. Mozarts Requiem in St. Michael, 1791–2012
Kurze Zeit nach Mozarts Tod am 5. Dezember 1791 berichten zwei Zeitungsartikel von einer Aufführung des „Requiems“ zu seinen Exequien (Seelenmesse). Die Wiener Lokalzeitung „Der heimliche Botschafter“ vom 16. Dezember 1791 schreibt: „Herr Schickaneder hat für den verstorbenen die Exequien halten lassen, wobey das Requiem welches er in seiner letzten Krankheit komponiert hatte, exequiert wurde“. Auch das „Berliner Musikalische Wochenblatt“ vom 31. Dezember 1791 berichtet davon: „Eine seiner letzten Arbeiten soll eine Todtenmesse gewesen seyn, die man bei seinen Exequien aufgeführt hat“.
Erst durch die Auffindung der Funeralspezifikation zum Dezember 1791 im Kolleg-Archiv unserer Kirche durch den Historiker Walther Brauneis im Jahre 1991 ist belegt, dass die Exequien für Mozart am 10. Dezember 1791 in der Michaelerkirche abgehalten wurden.
Wer die Kosten (Summa Summarum: 12 Gulden 9 Kreuzer) der Seelenmesse beglichen hat, erfahren wir aus einer (wieder durch Brauneis bekannt gewordenen) Meldung im Wiener Journal „Auszug aller europäischen Zeitungen“ vom 13. Dezember 1791:
„Den 10ten Dezember haben die braven und erkenntlichen Direktoren des Wiener Theaters [Emauel Schikaneder und Joseph von Bauernfeind] für den großen Tonkünstler Mozart in der Pfarre bey St. Michael feierlirche Exequien halten lassen“.
Die Tatsache, dass in der Aufstellung die Kosten für die Musik fehlen, lässt darauf schließen, dass die Musiker von St. Michael unentgeltlich musiziereten, um so dem hochgeschätzten Kollegen, „Kammermusicus“ und „Hofcompositor“ Mozart die letzte Ehre zu erweisen.
Welche Kompositionen tatsächlich bei Mozarts Seelenmesse in St. Michael aufgeführt worden sind, können wir heute nicht mit Sicherheit sagen. Aus den oben genannten Zeitungsartikeln lässt sich aber schließen, dass die von Mozart vollendeten Teile des Requiems zu diesem Anlass ihre Uraufführung erlebt haben.
Wie heute allgemein bekannt ist, war zum Zeitpunkt von Mozarts Tod nur der Eingangssatz „Requiem aeternam“ von ihm vollständig komponiert und instrumentiert. Die nachfolgende Kyrie-Fuge war im Vokalsatz und Basso continuo fertig ausgearbeitet; die fehlende colla parte-Instrumentation, mit Ausnahme der Trompeten- und Paukenstimmen, ergänzte der Mozart-Schüler Franz Jacob Freystädtler. Man kann stark annehmen, dass Freystädtler diese Eintragungen noch vor dem 10. Dezember vornahm, um bereits bei der Seelenmesse die Aufführung der Kyrie-Fuge mit instrumentaler Unterstützung zu ermöglichen. Wie zum Kyrie waren auch zu den Sequenzteilen und den zwei Offertoriumsteilen der Vokalsatz und der bezifferte Bass von Mozart „ganz vollendet“ worden (einzige Ausnahme: das „Lacrymosa“, das nach 8 Takten abrupt endet).
Die von Mozart notierten Instrumentalstimmen beschränkten sich im Allgemeinen auf wenige, aber für die jeweiligen Teile bestimmende Motive (am Häufigsten notierte er die erste Violine). Ob die Musikerkollegen bei den Exequien auch die Sequenz und das Offertorium (vielleicht nur mit Orgelbegleitung) gesungen haben, darüber kann nur gemutmaßt werden. Da Mozarts Witwe Constanze zwei Söhne zu ernähren hatte und sich in finanzieller Not befand, lag es in ihrem Interesse, das unvollendete Requiem von einem würdigen Komponisten möglichst schnell fertig stellen zu lassen, um das Werk dem (damals anonymen) Auftraggeber übergeben und so das ausstehende Honorar entgegennehmen zu können.
Über mehrere Stationen gelangte das autographe Requiem-Fragment zu Franz Xaver Süßmayr*, Mozarts Schüler und Gehilfen der letzten Lebensmonate, mit dem Mozart sich „über die Ausarbeitung des Werkes sehr oft besprochen“ hatte. Süßmayr nahm die fehlende Instrumentierung vor, vollendete das „Lacrymosa“, komponierte die Sätze Sanctus, Benedictus und Agnus Dei neu und versah am Schluss des Werkes die Kyrie-Fuge mit dem Text „cum sanctis tuis“.
Diese gängige, von Süßmayr ergänzte Fassung des Mozart-Requiems, wurde am 30. März 2012 – am Freitag vor der Karwoche – unter der musikalischen Leitung von Manuel Schuen mit seinem neu gegründeten „Chorus Michaelis“, den Solisten und dem Orchester St. Michael in der Michaelerkirche aufgeführt. Alexander Goebel hat das Konzert in Form von Rezitationen über „Leben versus Tod“ begleitet.