Meine Vision als Pfarrer
Als Pfarrer der Michaelerkirche verstehe ich meine Arbeit zuerst als ein Weiterführen der Tätigkeiten meiner salvatorianischen Vorgänger. Im Jahre 1923 wurden meine Mitbrüder gebeten, hier in der Innenstadt die Michaelerkirche und das Kolleg zu übernehmen. Sicher nichts Anziehendes, sondern nur etwas Herausforderndes, denn Kirche und Kloster stellten so etwas wie eine lebendige Ruine dar. Etwa zehn Jahre später sagte Professor Innitzer kurz nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Wien im Jahre 1932 bei einem privaten Abendessen in St. Michael zu den Wiener Salvatorianern:
„Ich schätze und liebe Ihre Gesellschaft. Sie sind eine junge, aufstrebende, tätige Genossenschaft und sind berufen, hier das Erbe eines alten Ordens weiterzubauen. Ich freue mich, dass ich Ihnen einen ganz kleinen Dienst erweisen durfte. Auch sollen Sie nicht gar so bescheiden sein, denn was Sie hier in Wien geleistet haben, besonders im 2. [Kaisermühlen] und 10. Bezirk [Favoriten], ist tüchtige Seelsorgearbeit. Jeder Seelsorger anerkennt Sie und ein Bischof muss dafür dankbar sein.“
Den damaligen Auftrag möchte ich mit einem immer größer werdenden Kreis stark motivierter Frauen und Männer rund um die Michaelerkirche für die heutige Zeit sprachlich und spirituell neu buchstabieren. Es geht mir darum, sowohl gottesvoll und menschennah zu denken und zu handeln, als auch bestimmte gesellschaftliche und kirchliche Prozesse kreativ und kritisch zu fördern und zu gestalten. Jeder Pfarrer der Michaelerkirche erhält seinen konkreten Auftrag und seine moralische Unterstützung von den Mitbrüdern und der Ordensgemeinschaft. Sie sind Mitdenker und Mitgestalter dieser Aufgabe. Meine Vorgänger haben je eigene Akzente gesetzt: Pater Dr. Theophilus Muth (1923-1939), Pater DDr. Roland Macho (1939-1971), Pater Josef Fütterer (1972), Pater Volkmar Kraus (1973-1974) und Pater Wolfgang Worsch (1977-2002). Auch ich werde eigene Schwerpunkte setzen.
Heute geht es vor allem darum, den vielen ruhelosen und spirituell suchenden Nomaden eine Oase der Ruhe in der Großstadt anzubieten. Hier im Raum der Michaelerkirche, in Stille und Besinnung, können sie zu sich selbst kommen und sich von Kunst, Musik und Gottesdienst inspirieren lassen.
März 2004, P. Peter van Meijl
P. Peter van Meijl war Pfarrer der Michaelerkirche von 2002 bis 2016.